破音字

 破音字 pòyīnzì oder 多音字 duōyīnzì werden Schriftzeichen genannt, die mehr als eine Lesart haben. Ich werde hierbei grob zwischen denjenigen poyinzi mit Bedeutungsunterschied und ohne Bedeutungsunterschied unterscheiden.

Sprachplanung

In diesem Bereich spielt die Sprachplanung auch eine gewisse Rolle. Zum einen sind gewisse Aussprachevarianten dadurch zu erklären, daß von Kommission zum Standard erhobene Aussprachen entweder nicht von der Sprachgemeinschaft angenommen wurden (oder nur in bestimmten Regionen), oder daß seit der Ausfertigung eines Standards ein Sprachwandel eingetreten ist. Das taiwanesische Erziehungsministerium z.B. fertig eine solche Liste aus, die zur Zeit überarbeitet wird und daher online nicht zugänglich ist (s. Wikipedia-Artikel hier. Diese Seite stellt Unterschiede zwischen der Ministeriumsliste und vom selben Ministerium herausgegebenen Wörterbuch dar).

Ein berühmtes Beispiel ist das Zeichen für die Krankheit „Krebs“ 癌: die ursprüngliche Aussprache im modernen Mandarin ist yán, was jedoch identisch mit  炎 yán ist, dem Zeichen für „Entzündung“. Da fèiyán dann sowohl 肺癌 „Lungenkrebs“ als auch 肺炎 „Lungenentzündung“ bedeuten konnte, hat sich auf in der Alltagssprache die alternative Aussprache ái für „Krebs“ durchgesetzt. In China wurde dies seit 1961 auch in Wörterbüchern festgeschrieben, während Taiwan an der traditionellen, mißverständlichen Aussprache für den Standard festhielt, was zu einer Verwendung im Alltagsleben führte. Kürzlich hat die Kommission des Erziehungsministeriums ebenfalls die Aussprache ái zum Standard erhoben, was jedoch nicht unumstritten ist.

破音字 mit Bedeutungsunterschied

Dies hängt vor allem mit zwei Phänomenen zusammen, dem Rebusprinzip bei den Schriftzeichen (Boltz 1994) und der Derivationsmorphologie des Altchinesischen (Baxter 1992, Sagart 1999).

Rebusprinzip bei Schriftzeichen

Nach Baxter 1992 wurden im Altchinesischen Wörter nach dem Rebusprinzip geschrieben, d.h.

Derivation im Altchinesischen

Das moderne Chinesisch weißt keine Inflektionen auf, aber die meisten Gelehrten sind einig, daß das Altchinesische über einige Affixe verfügte. Zwei bekannte Beispiele sind hiergenannt:

Von solchen Ableitungen gab es ganze Menge, sehr schön zusammengefaßt sind einige auf dieser Seite der deutschsprachigen Wikipedia.

Die obigen Ableitungen sind auch im Klassischen Chinesischen noch transparent. Es gibt jedoch auch einige rekonstruierte Affixe, die im Klassischen Chinesischen nicht mehr produktiv sind: als Beispiel seien 亂 „Unordnung, stören“ (rekonstruiert als *ron-s, heute als luàn) zu 變 „verändern“ (*p-ron-s, heute als biàn) sowie 曰 „sagen“ (rekonstruiert als *wat, heute als yuē) zu 話 „vortragen, Vortrag“ (rekonstruiert hier in dieser Bedeutung mit r-Infix und s-Suffix: *wrat-s). 

破音字 ohne Bedeutungsunterschied

Im Chinesischen gibt es eine lange Schrifttradition. Schon um die Tang-Zeit bildete sich eine Diglossie-Situation zwischen der Schriftsprache, dem klassischen Chinesischen, und der gesprochen Sprache heraus. Die Kluft wurde immer breiter, die gesprochene Sprache spaltete sich in mehrere sinitische Sprachen auf.  Es wurden Aussprachewörterbücher wie das Guangyun  廣韻 in der Song-Zeit verfaßt, nach dem sich die Beamten richteten. Seit der Mongolen-Zeit wurde dann die Aussprache Nordchinas als verbindlich erklärt (die Sprache des Nordens wird aufgrunddessen heute auch Mandarin genannt). In vielen sinitischen Sprachen außerhalb Nordchinas gibt es daher in der Regel zwei Lesarten für viele Lesarten:

Im Mandarin ist die Anzahl solcher Lesarten naturgemäß nicht so groß,  die untenstehende Tabelle aus der chinesischsprachigen Wikipedia stellt eine Reihe von Schriftzeichen im Mandarin dar, die noch über eine Leseaussprache verfügen:

漢字 文讀 白讀
báo
bāo
gěi
qiào
lòu
shǎi
xuē xiāo
xuè xiě

Selten haben diese Ausspracheunterschiede bedeutungsunterscheidende Wirkung, doch läßt sich dies nicht vorhersagen. Bei Schriftzeichen mit Aussprachevariationen wird im Mandarin zwischen zwei Typen unterschieden:

Ausnahmen

Verschiedene Wörter vom selben altchinesische Etymon

In ganz seltenen Fällen hat die Kluft zwischen Schrift- und Umgangssprache zur Ausbildung von verschiedenen Zeichen geführt. Dies ist bei 的 de und 之 zhī sowie bei 你  und 爾 ĕr der Fall, die jeweils auf dasselbe altchinesische Etymon zurückgehen (s.a. Pulleyblank 1991).

Vier Zeichen mit umgebungsbedingter Tonänderung

Vier äußerst häufige Zeichen können je nach Umgebung ihren Ton ändern (s. a. hier.):

Literatur zum Thema

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