15. März 2009
望文生義 wàngwénshēngyì
„wörtlich nehmen“, ohne Rücksicht auf Konnotation oder kompositionelle Bedeutung. Das Chengyu stammt aus der Qing-Zeit. Aus dem Kontext reißen heißt übrigens 斷章取義 duànzhāngqŭyì.
13. März 2009
敷衍 fūyăn
„etwas nachlässig, oberflächlich tun“. Es kann auch bedeuten „jemanden aufziehen, mit wohlklingenden Worten abspeisen“ und ist wahrscheinlich in dieser Bedeutung eine Verkürzung vo 敷衍幾句 fūyănjĭjù.Im Japanischen gibt es dieses Wort auch als fuen, wird jedoch in der Regel entweder 敷衍 oder 敷延 geschrieben. Es hat allerdings im Gegensatz zum chinesischen Wort, das eine Bedeutungsverschlechterung durchgemacht hat, die ursprüngliche neutrale Bedeutung bewahrt und bedeutet so viel wie „ausbreiten, (eine Erläuterung o.ä.) ausführen“.
Es gibt noch zwei Chengyu mit 敷衍, die eine ähnliche Bedeutung haben: 敷衍了事 fūyănliăoshì und 敷衍塞責 fūyănsèzé. 了事 bedeutet „eine Sache abschließen“ und 塞責 „eine Aufgabe halbherzig ausführen“, insofern bezieht sich das erste Chengyu (aus der Qing-Zeit) eher auf Handlungen im allgemeinen und das zweite (aus Maos Schriften) eher auf Aufgaben oder Pflichten.
罄竹難書 Qìngzhúnánshū
Eines meiner Chengyu-Lehrbücher hat eine Anekdote davon, wie sich Politiker durch die falsche Verwendung von Chengyu zum Narren machen können. Der ehemalige Präsident von Taiwan, der jetzt kürzlich in Ungnade gefallene Chen Shui-bian, nahm 2006 an einer Freiwilligenaktion teil, bei der er die anwesenden freiwilligen Helfer loben wollte, daß deren Arbeit 罄竹難書 qìngzhúnánshū sei. Er wollte damit ausdrücken, daß der gesellschaftliche Beitrag, den Freiwillige leisten, enorm sei, löste durch seine Wortwahl aber eine sprachliche Kontroverse aus. Sehen wir uns das Chengyu genauer an: 罄 qìng: erschöpfen; 竹 zhú: Bambus, hier zum Schreiben verwendete Bambusstreifen; 難 nán: schwierig; 書 shū: schreiben, in etwa also „selbst wenn man alle Bambusstreifen verwendet, reicht dies zum Schreiben nicht aus“. Chen wollte damit ausdrücken, daß die Leistungen der Freiwilligen so unbeschreiblich groß waren. Allerdings wurde von Sprachkritikern darauf hingewiesen, daß dieses Chengyu aus der Tang-Zeit aus einem Kontext stammt, in denen es um Straftaten eines Kriminellen geht, die so zahlreich waren, daß man alle Bambusstreifen vollschreiben könnte und dennoch nicht fertig würde… Es gibt ja im Deutschen eine sehr ähnliche Redewendung „das geht auf keine Kuhhaut“, das ja auch nur für negative Leistungen verwendet werden kann. Laut Wikipedia soll dies aus der Antike stammen:
Das geht auf keine Kuhhaut — Übertreibender Ausdruck (Hyperbel) der Empörung, der besagen will, dass über eine bestimmte Sache oder Person so viel Empörendes zu berichten wäre, dass zur Niederschrift nicht einmal eine Kuhhaut ausreichen würde. Pergament wird aus den Häuten von Schafen hergestellt, „Kuhhaut“ bezeichnet insofern ein zwar nicht real übliches, aber als besonders groß vorzustellendes Beschreibmaterial. Eine andere Erklärung besagt, dass die Redensart auf die Gründung der Stadt Karthago zurückgeht, als die Königin Dido sich soviel Land erbat, wie sie mit einer Kuhhaut umschließen konnte. Nachdem sie die Zusage hatte, zerschnitt sie die Haut in dünne Streifen, die aneinandergelegt ein riesiges Gebiet umschlossen.
Was die Lehrbuchschreiber mit ihrer Anekdote sagen wollen ist, daß bei der Verwendung von Chengyu auch die Konnotation wichtig ist und geben dann auf den folgenden Seiten eine lange Liste von Chengyu mit jeweils positiver, negativer und neutraler Konnotation für verschiedene Situationen.
Als Beispiel werden z.B. 標新立異 biāoxīnlìyì und 獨樹一幟 dúshùyīzhì genannt. Beiden ist gemein, daß sie eine Situation bezeichnen, in der man eine neue Perspektive verfolgt. Ersteres hat aber insofern eine negative Konnotation, daß dies mit der Absicht geschieht, sich von der Masse abzuheben. Letzteres hat eine positive Konnotation, da dies beinhaltet, daß es sich um einen originellen Standpunkt handelt, anhand dessen man z.B. eine neue Denkschule oder Tradition begründen kann (自成一家 zìchéngyījiā).
8. März 2009
狂歡 kuánghuān
„ausgiebig feiern“. Und dann gibt es noch ein 成語, das in dieselbe Richtung geht: 尋歡作樂 xún huān zuò lè, was soviel wie „das Vergnügen suchen“ bedeutet (aus der Qing-Zeit, s. Wörterbuch)
1. März 2009
死記硬背 sĭjìyìngbèi
„Auswendig lernen“.
Hier sehen wir eine Symmetrie: Adj1-V1-Adj2-V2 (死 sĭ kann auch so etwas wie „hart, fest“ bedeuten). Dies gilt sicherlich nicht als 成語.