10. Mai 2009

Chinesische Chengyu im Japanisch-Unterricht

Posted in 兩字組, 四字組, 成語, 日本語 um 5:30 am von krisnawan

Die japanische Kultur und Sprache war intensiven chinesischen Einflüssen ausgesetzt, was natürlich auch für das Studium der chinesischen Klassiker inkl. der Chengyu angeht. Heutzutage jedoch sind viele Chengyu im Japanischen jetzt hochliterarischen Sprachregistern vorbehalten, trotz der Bemühungen von Webseiten wie dieser hier. Allerdings gibt es auch ein paar berühmte Sentenzen, die in den festen Alltagsbestand der japanischen Sprache eingegangen sind. Sie sind nicht zu Vierzeichenkombinationen geworden, sondern vielmehr verkürzt oder zu alltagssprachlichen Redewendungen geworden.

  • 蛇足 dasoku von   畫蛇添足 huàshé-tiānzú (Zhanguoce): dies ist die berühmte Geschichte vom Schlangenfuß. Einem Tempel im Staate Chu wurde ein Krug Wein gespendet. Anstatt den Wein gleichmäßig unter den Mönchen aufzuteilen, wurde jedoch vereinbart, einen Wettbewerb abzuhalten: Wer als erster eine Schlange auf dem Tempelboden fertigmalen würde, sollte den Krug ganz bekommen. Als der erste Mönch fertig war, wurde er so übermütig, daß er flugs noch vier Beine anfügte. Der Mönch aber, der als nächster fertig wurde, machte ihn den Krug erfolgreich mit der Begründung streitig, daß er gar keine Schlange gemalt habe, denn eine Schlange habe schließlich gar keine Füße! Dieses Wort bezeichnet etwas Überflüssiges, das das große Ganze gefährdet. Im Chinesischen ist das als Vierzeichen-Chengyu üblich, im Japanischen ist dies überhaupt nicht gebräuchlich und auf zwei Zeichen verkürzt.  Ein paar Chengyu, die vom Inhalt her in eine ähnliche Richtung gehen:「無中生有」,「多此一舉」、「弄巧反拙」
  • 五十歩百歩 gojippo hyappo von 五十步笑百步  wǔ shí bù xiào bǎi bù (Mencius): der König Hui von Jin beklagt sich bei Mencius, daß trotz seiner Maßnahmen, die seine Bürger besser behandelten als die seiner Nachbarstaaten, die Bürger dieser Staaten dennoch ihm nicht die Bude einrennen. Warum sei dies so? Da erzählt ihm Mencius ein Gleichnis, von zwei Gruppen vom Soldaten im Krieg. Die eine rennt 50 Schritte weg, die andere 100. Die Gruppe, die „nur“ 50 Schritte weggerannt ist, macht sich lustig über die, die 100 Schritte weggerannt sind. Mencius sagt, daß auch die vermeintlich so guten Maßnahmen des Königs doch nur eine Frage der Quantität seien, nicht eine der Qualität. Im Deutschen würde hier die Redewendung vom Glashaus passen, im Englischen sagt man auch „the pots calls the kettle black“.
  • 井の中の蛙大海をしらず i no naka no kawazu taikai o shirazu von 井底之蛙 jǐngdǐ zhī wā (Zhuangzi, Chunqiu). Dies ist eine Geschichte vom Geist des Gelben Flusses, der vor Demut erstarrt, als er zum erstenmal das Meer erblickt. Er sagt dem Geist des Nordmeeres, jetzt habe er endlich eine Ahnung von der Weite des Daos, denn das Meer sei vergleichbar grenzenlos. Daraufhin erklärt ihm der Geist des Nordmeeres, daß man schon wissen muß, worüber man spricht, ansonsten sei man wie der Frosch am Grunde des Brunnens, für den der Brunnen die ganze Welt darstellt. Im Japanischen wird das miteinander kombiniert zu „Der Frosch weiß nichts vom Ozean“. Im Chinesischen bezieht sich das auf Borniertheit, entweder eine bornierte Person, oder als Charakterzug.
  • 矛盾 mujun 自相矛盾 zìxiāng-máodùn (Han Feizi). Eine der bekanntesten Geschichten des chinesischen Altertums. Ich gebe die Geschichte erstmal im Original wieder, denn sie läßt sich relativ gut verstehen: “楚人有鬻盾与矛者,誉之曰:‘吾盾之坚,莫之能陷也。’又誉其矛曰:‘吾矛之利,于物无不陷也。’或曰:‘以子之矛陷子之盾,何如?’其人勿能应也。” Es gab einen Händler aus Chu, der sowohl Schild als auch Speer verkaufte, er lobte seinen Schild: ‚Mein Schild ist so hart, daß nichts ihn zerbrechen kann.‘ Dann wiederum lobte er seinen Speer: ‚Mein Speer ist so scharf, es gibt nichts, das er nicht durchbohren könnte.‘ Da fragte ihn jemand ‚Wie wäre es, wenn ich mit deinem Speer deinen Schild durchbohren wollte?‘ Darauf hatte der Händler keine Antwort.  Diese Geschichte wird im Japanischen immer zu zwei Zeichen abgekürzt, aber auch im Chinesischen ist  矛盾 recht häufig.
  • 漁夫の利 gyofu no ri (鷸蚌の争い ippō no arasoi鷸蚌相爭, 漁翁得利  yù bàng xiāng zhēng,yú wēng dé lì (Zhangguoce). Der König von Zhao wollte das benachbarte Reich Yan überfallen. Yan aber schickte Su Dai nach Zhao, um den König davon abzubringen. Su verwendete dabei das Gleichnis von der Kammuschel und der Schnepfe. Als die Muschel ihren Schale geöffnet hatte, steckte die Schnepfe ihren Schnabel hinein,während die Muschel sich mit aller Macht dagegen wehrte. Es schien keine Seite nachgeben zu wollen, bis einer Fischer daherkam und beide einsackte. Witzigerweise ist im Chinesischen eher der vordere Teil gebräuchlich 鷸蚌相爭 yù bàng xiāng zhēng, während es im Japanischen der hintere Teil ist: 漁夫の利 gyofu no ri. Im Deutschen in etwa „Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte“.
  • 推敲 suikō 推敲 tuīqiāo. Dies ist eine absolute Ausnahme, denn auch im Chinesischen sind es nur zwei Zeichen, und wird daher in vielen Wörterbüchern gar nicht als Chengyu anerkannt. Es handelt von dem Dichter Jia Dao aus der Tang-Zeit, der gerade beim Dichten war, und beim folgenden Vers sich nicht festlegen konnte, ob der Mönch die Tür nun schieben oder dort anklopfen sollte: „鳥宿池邊樹,僧推/敲月下門“ „Vögel lassen sich nieder auf dem Baum am See / der Mönch schiebt die/klopft an der Tür unter dem Mond“. Er war so sehr darin vertieft, daß er nicht sah, wie eine Prozession eines hohen Beamten des Weges kam, so daß er vollkommen unkonzentriert dort hineinstolperte. Der hohe Beamte war kein anderer als Han Yu, der auch als Dichter bekannt war, und eigentlich hätte Jia Dao mit dem Schlimmsten rechnen müssen, wäre es nicht für die poetische Ader der beiden Männer gewesen wäre. Sie kamen ins Plaudern und dann sagte ihm Han Yu, daß es sicherlich „klopfen“ sein sollte. Später nahm er Jia Dao in seinen Dichterzirkel auf. Von dieser Geschichte stammt dieses Wort, das soviel wie „überarbeiten“ bedeutet.

Hinterlasse einen Kommentar