12. Januar 2012

Taiwan-Wahlen Vokabular, Teil 2

Posted in Uncategorized um 11:52 pm von krisnawan

Zwar ist Mandarin die offizielle Amtssprache in Taiwan, und dominiert daher auch den politischen Diskurs, aber die Mehrheit der Bevölkerung spricht daneben noch Taiwanesisch (台語), ein Dialekt des Südlichen Min (閩南語). Die Sprache wurde zu Zeiten des Weißen Terrors zugunsten des Mandarin unterdrückt und stellt daher für die Mehrheit der Taiwanesen ein wichtiges Stück der eigenen kulturellen Identität dar.

Es nimmt daher nicht wunder, dass im Zeitalter der Demokratie auch das Taiwanesische eine gewichtige Rolle spielt. Bei Wahlkampfauftritten, vor allem im Süden des Landes, ist es für Politiker ungeachtet ihrer eigenen Abstammung unerlässlich, zumindest einige Worte auf taiwanesisch zu sagen. Beim Amtsinhaber Ma Ying-jeou, der in Hong Kong geboren ist und dessen Familie aus demselben Landkreis wie Mao Zedong in Hunan stammt, handelt es sich sicherlich nicht um jemanden, der von kleinauf mit Taiwanesisch aufgewachsen ist. Aber selbst Ma fühlt sich bei Wahlkampfstopps im Süden genötigt, ein paar Worte auf Taiwanesisch zu sagen. Seine Aussprache ist anscheinend fürchterlich (was ich persönlich nicht beurteilen kann), es kursieren einige Videos im Internet hierzu.

Es sind auch einige Begriffe aus dem Taiwanesischen aus der Welt der politischen Kampagnen und Strategen in das Taiwan-Mandarin eingegangen, und um diese Begriffe soll es in diesem Beitrag gehen. Bei allen Begriffen habe ich versucht, die taiwanesische Aussprache zu ermitteln, und mit (TW) gekennzeichnet. Dies ist jedoch aus verschiedenen Gründen schwierig (zuvörderst, weil ich kaum fünf Worte Taiwanesisch kann), so dass für die Richtigkeit der taiwanesischen Aussprache keine Gewähr gegeben werden kann.

  • 凍蒜 tòngsuán (TW)/dòngsuàn. Der wohl bekannteste politische Begriff, der aus der taiwanesischen Sprache stammt. Die Schriftzeichen bedeuten wörtlich „gefrorener Knoblauch“, wobei es sich jedoch lediglich um eine phonetische Annäherung zur Aussprache des Wortes 當選 dāngxuǎn handelt, das im Taiwanesischen tòngsuán ausgesprochen wird. Dieses Wort wird besonders gern bei Wahlveranstaltungen gerufen, nach dem Namen des Kandidaten/der Kandidatin. Diese Sitte begann zunächst unter der Anhängerschaft der DPP, und hat sich mittlerweile auf das ganze politische Spektrum ausgeweitet. Obwohl es sich bei 凍蒜 um eine phonetische Annäherung handelt, ist es üblich geworden, dass Kandidaten von ihren Anhängern Knoblauch geschenkt bekommen, als gutes Omen für ihre Wahl.
  • 樁腳 zhuāngjiǎo, vom taiwanesischen Begriff 縛柱仔腳 pa̍k thiāu-á-kha (TW), wörtlich „die Enden der Pfähle zusammenbinden“ (eine weitere Variante im Mandarin ist 綁腳 bǎngjiǎo), bezeichnet die örtlichen Mächtigen und Vernetzten, die in der Lage sind, die Stimmen für den Kandidaten/für die Kandidatin zu „organisieren“
  • 辦桌 pān-toh (TW)/bànzhuō „einen Tisch ausrichten“: eine Wahlkampaktivität, die häufig von den obengenannten Lokalgrößen durchgeführt wird: bei Wahlkampfveranstalten werden Mahlzeiten für interessierte Wahlberechtigte bereitgestellt. Typischerweise geschieht dies im chinesischen Büffetstil, d.h. an großen runden Tischen, wie sie auch hierzulande aus chinesischen Restaurants bekannt sind.
  • 奧步  aobo (TW, Töne unbekannt)/àobù: dieser Begriff aus dem Taiwanesischen bezeichnet sich auf dirty tricks, wie sie z.B. in Schleswig-Holstein unter Uwe Barschel üblich waren.
  • 相挺: (Taiwanesische Aussprache unklar, Mandarin xiāngtǐng): bedeutet im Taiwanesischen „unterstützen“, also einen Kandidaten/eine Kandidatin im Wahlkampf. Im Mandarin kann 挺 auch die Bedeutung „unterstützen“ haben, daher ist der Gebrauch dieses Zeichens in Schlagzeilen wie „X挺蔡,Y挺馬“ (X unterstützt Tsai, Y unterstützt Ma) wohl eher keine Verkürzung des taiwanesischen 相挺.
  • 鬥陣 tàutīn (TW)/dòuzhèn (manchmal auch 逗陣), bezeichnet das Zusammenleben unter einem Dach, typischerweise von Mann und Frau, aber nicht notwendigerweise. Auch oft in der Kombination 睏鬥陣 khùntàutīn „gemeinsam unter einem Dach schlafen“. In der Politik bezeichnet dies Absprachen zwischen verschiedenen Parteien in Form eines offiziellen oder inoffiziellen Wahlbündnisses. Z.B. wurden einige Abgeordnete von der PFP bei der letzten Wahl zum Parlament im Jahr 2008 auf der Liste der KMT gewählt. Eine Begriff mit ähnlicher Bedeutung ist 作伙 (chòhóe (TW)/ zuòhuǒ).
  • 黑白講 o͘-pe̍hkóng (TW)/ hēibái jiǎng, wörtl. „Schwarz-weiß reden“. Dies ist kein politischer Terminus im engeren Sinne, aber doch ein Wort, das häufig im Wahlkampf fällt: wenn ein Kandidat/eine Kandidatin der anderen Seite vorwirft, die Tatsachen zu verdrehen und schlicht gefährlichen Unsinn zu reden, dann ist das der passende Begriff.

Anmerkung: Die demographischen Verhältnisse in Taiwan sind folgendermaßen: 2% Ureinwohner, 70% Hoklo-Taiwanesen, 15% Hakka-Taiwanesen, 13% Festlandchinesen (und deren Nachkommen). Manche benutzen daher den Begriff Hoklo, um die Sprache der Hoklo-Taiwanesen zu benennen, die jeodch auch von den meisten Hakka-Taiwanesen, und vielen Festlandchinesen beherrscht wird. Andererseits nimmt die Kompetenz bei jüngeren Jahrgängen aus urbaner Umgebung zugunsten des Mandarin ab.

(Die Begriffe habe ich vor allem aus dem Buch 動蒜!動蒜!學英語!Dong suan! Dong suan! (Taiwanese for „may you be elected“), herausgegeben im Jahr 2007 von Taiwan News, jedoch ohne jegliche Angaben zur taiwanesischen Aussprache)

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